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Bildergalerie William Kentridge
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Das vielfach ausgezeichnete Werk von William Kentridge wurde in den letzten Jahren im deutschsprachigen Raum nicht gerade selten gezeigt. Der Südafrikaner mit litauisch-jüdischen Wurzeln gilt als einer der großen künstlerischen Chronisten politischer Umbrüche und ist mit seinen Zeichnungen, seiner Druckgrafik und vor allem seinen animierten Filmen immer dort willkommen, wo Fragen zur demokratischen Erinnerungskultur verhandelt werden sollen. Doch trotz seiner ständigen Präsenz im westlichen Kunstbetrieb werden die beiden Ausstellungen in Essen und Dresden, die ihn in diesem Herbst zeitgleich zu seinem 70. Geburtstag würdigen, etwas Besonderes sein.
Mit seinen filmisch animierten Kohlezeichnungen hat William Kentridge seit den frühen 1990er-Jahren eine neue Form politischer „Historienmalerei“ geschaffen. Vor dem Hintergrund der Apartheidsgeschichte seines Heimatlandes Südafrika, wo er bis heute lebt und arbeitet, dokumentiert und kommentiert er in seinen zu Filmen umgesetzten Zeichnungen gesellschaftliche Umbrüche und unterlegt sie mit zahlreichen Verweisen auf kunsthistorische Motive. In den Filmen, die oft animierten Schattenrissen oder Kohlezeichnungen gleichen, ziehen klischeehafte Bildtypologien ebenso vorüber wie pointierte Kombinationen historischer Figuren. Kentridge spielt mit ihrer historischen und politischen Aufladung, formt daraus ein bisweilen anarchisches Welttheater und sucht zugleich eine offene, mehrdeutige Betrachtung von Geschichte und Gegenwart zu erreichen.
Das Museum Folkwang in Essen und die Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden haben sich zu einer ungewöhnlichen, West-Ost-Geschichte übergreifenden Kooperation zusammengefunden, um Kentridge anlässlich seines 70. Geburtstages zu würdigen. In Dresden widmen sich gleich drei Häuser der Staatlichen Kunstsammlungen verschiedenen Teilen seines Werkes, während das Museum Folkwang in Essen eine umfassende Retrospektive zeigt, die die Entwicklung von Kentridges Werk von seinen Anfängen nachzeichnet. Ein Besuch beider Häuser lohnt, weil die Arbeiten des Südafrikaners sich mit den spezifisch ost- wie westdeutschen Kontexten beider Ausstellungsorte historisch sehr vielschichtig kurzschließen lassen.
In Essen liegt dabei der Schwerpunkt auf der Geschichte des Ruhrgebiets, der Kohleförderung, aber auch auf der Kolonialgeschichte der Ruhrbarone und der Transformation der einstigen Industrieregion in einen Kultur- und Dienstleistungsstandort.
In Dresden weckte vor allem die Transformation der sozialistisch-doktrinären Gesellschaft nach 1990 Kentridges Interesse. Sein wohl bekanntestes Werk, der lange Prozessionszug „More Sweetly Play the Dance“ mit seinen vielfältigen Zitaten aus Paul Celans Gedicht „Todesfuge“, wird hier in Korrespondenz zum bekannten Dresdener Fürstenzug aus dem 19. Jahrhundert gezeigt, der über 35 Generationen des Fürstengeschlechtes der Wettiner figürlich darstellt. Zusätzlich wird Kentridges ebenfalls prozessionsartig aufgebaute, multimediale Filminstallation „Oh To Believe in Another World“ von 2022 in Dresden zu sehen sein, die sich am Beispiel des Komponisten Dmitri Schostakowitsch mit Zwang und Anpassung in autoritären Regimen beschäftigt. Die Puppentheatersammlung der Staatlichen Kunstsammlungen widmet sich den gerade für dieses Werk entstandenen Masken und Puppenentwürfen Kentridges. Das Kupferstich-Kabinett Dresden zeigt Druckgrafik und Entwurfszeichnungen des Künstlers für seine Filme. So werden die Arbeiten zu einem „Tummelplatz“ deutsch-deutscher Geschichte im 20. und 21. Jahrhundert – ein Wort, das Kentridge, dem eine Vorliebe für die deutsche Sprache nachgesagt wird, selbst für seine figurenreichen Filme, jedoch auch für sein großes Atelier mit seinen vielfältigen Angestellten in Johannesburg/Südafrika verwendet. Die Ambivalenz von Triumph- und Trauerzug, von verordneten Aufmärschen zu DDR-Zeiten bis zu den Protestmärschen von Pegida in Dresden geben dem Ausstellungsprojekt nicht zuletzt eine aktuelle politische Dimension, ohne dass Kentridge selbst sich auf eine bestimmte Position festlegen lassen will. „Hinter jedem, der meint, sich seiner Sache ganz sicher zu sein, muss jemand mit einer Knarre stehen“, sagte der Künstler hierzu kürzlich in einem Interview.
Die deutschen Debatten der letzten Jahrzehnte über die Vergleichbarkeit oder Unvergleichlichkeit historischer Ereignisse bilden den aktuellen Kontext dieser besonderen Jubiläumsschauen.
Carsten Probst
William Kentridge. Listen to the Echo
6. September 2025 bis 4. Januar 2026
Albertinum, Dresden
6. September 2025 bis 15. Februar 2026
Kupferstich-Kabinett im Residenzschloss
6. September 2025 bis 30. Juni 2026
Puppentheatersammlung im Kraftwerk Mitte
4. September 2025 bis 18. Januar 2026
Museum Folkwang Essen
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7/2025