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Helge & Saxana

 

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Helge & Saxana

„Stille Riesen“

Der Baum in Fokus der Gegenwart: Bis zum 6. April ist in der Darmstädter Galerie Netuschil eine Ausstellung zu sehen, die ein Künstlerduo vorstellt, das sich seit vielen Jahren auch als Aktivistenteam versteht. Doch was sehen wir in der Schau? Es sind in der Natur gemalte Landschaften und ­Bäume in oft ­expressivem Duktus – doch sind sie mehr als Abbilder der Wirklichkeit.

 

Ganz dezidiert verstehen sich die beiden Künstler ­Helge Hommes und Saxana Schötschel als Zeitkritiker und Mahner. Die aktuelle Diskussion über den Klimawandel ­befeuert das Interesse an ihrer Kunst, die vor Kurzem auch in der Galerie Schmalfuß in Berlin und in der Galerie Cyprian Brenner in Niederalfingen zu sehen war. Ihr Werk, sagt Helge Hommes, sei ein „mit explosiver Zeitkritik aufgeladener, ­geballter Funkenflug“. Stets malt das Duo vor Ort, in der ­Natur, trotzt Sonne und Regen, Frost und Hitze, um so zeit­genössische Landschaftsbilder zu schaffen.

 

Ihre gemalten Bäume verstehen sie als „Porträts“, die im ­Angesicht der Bedrohung durch den Klimawandel ent­stehen. So arbeiten sie in Wäldern wie etwa dem hessischen ­Reinhardswald auf den Spuren romantischer Landschaftsmalerei, doch mit neuen Vorzeichen: Wälder, einst Plätze der Stille und der Erbauung, sind heute Orte politischer Konflikte geworden.

 

Das in Leipzig lebende Künstlerpaar versteht sich als Teil der Klimaprotestbewegung. Kern ihrer Aktionen ist ­immer auch die Diskussion mit den Menschen. Sie haben im Hambacher Forst gemalt, im 2023 wegen eines Tagebaus ­abgerissenen Weiler Lützerath, in Wäldern, die durch riesige Windparkprojekte bedroht werden. In ihrer Kunst zitieren sie Impressionismus und Expressionismus – und schaffen „Stille Riesen“, die daran erinnern, wie essenziell Bäume für das ­Leben der Menschen sind.

 

Dringlich ist diese Malerei! Oftmals zeigen die beiden Künstler ihre Werke direkt in der Natur. „Die Bäume sind unsere Retter – sie sind Lebewesen, fühlen, kommunizieren und ­vieles mehr“, so hat Saxana Schötschel ihre Arbeit beschrieben, die sie auch in der Tradition der Aktionskunst von Joseph Beuys sieht.

 

Die Baumhausdörfer im Hambacher Forst haben Helge & Saxana auf großformatigen Leinwänden gemalt – seit 2017 arbeitet das Paar zusammen. „Der Baum transformiert sich gegenwärtig in den Köpfen der Menschen zu einer Art Sehnsuchtsfigur“, sagen sie. „Er wird mittlerweile zumindest teils als personelles Wesen anerkannt und der Mensch erkennt: Ohne Bäume ist kein Leben möglich. Der Baum ist der Messias.“

 

Kunst ist Leben und Leben ist Kunst im Werk von Helge & Saxana. Politischer Diskurs ist essenziell. Die beiden ­„documenta 15“-Teilnehmer verstehen sich als Maler im ­Widerstand – selten wird auf dem Feld der Kunst heute so deutlich und aktionistisch Stellung bezogen. „Eine verantwortliche Gestaltung des eigenen und gesellschaftlichen Lebens im Einklang mit der Natur, im Verständnis, sich als ein Teil von ihr zu begreifen und nicht vermessen über sie zu herrschen, ist eine immerwährende Aufgabe“ – so das Duo, das auch vor zum Teil illegalen Protesten nicht zurückscheut. 2019 brachen sie etwa mit 1.500 Aktivisten in den Tagebau Garzweiler ein – und malten dort das Geschehen.

 

Es sind malerische und auch performative Interventionen, die nun in Darmstadt zu erleben sein werden. Die Galerie ­Netuschil zeigt die Schau „Stille Riesen. Der Baum im Fokus der Gegenwart. Auf den Spuren von Caspar David Friedrich“ bis zum 6. April 2024. Es gibt dazu ein Begleitprogramm mit Lesung, Führung, „Baumhausfest“ und Finissage.

 

„Es ist kein Zufall, dass unsere Ausstellung des ­Künstlerduos im Jubiläumsjahr des 250. Geburtstags des ­Ausnahmekünstlers Caspar David Friedrich stattfindet“, sagt Galerist Claus Netuschil. „Friedrich gehört zu den großen Vorbildern des Künstlerpaars. Deshalb ist dem Romantiker die Ausstellung gewidmet.“

 

Romantik und Neoromantik: Auch in diesem Kontext kann man das Werk von Helge & Saxana betrachten. Bereits Robert Rosenblum hat in seinem 1981 erschienenen Buch „Die moderne Malerei und die Tradition der Romantik. Von C.D. Friedrich bis Mark Rothko“ darauf hingewiesen, dass es ein Kennzeichen der Neoromantik sei, die Distanz und den Zynismus, der sich in zeitgenössischer Kunst so oft spiegeln würde, zu überwinden.

 

Und statt Distanz und Zynismus geht das Künstlerpaar den Weg einer ungewöhnlichen künstlerischen Agitation. Auf ­ihrer Website www.helge-saxana.com informieren die beiden fortlaufend über ihre Aktionen und Interventionen, etwa jene im vergangenen Herbst auf Rügen, wo Helge & Saxana im ­Widerstand gegen den Bau des LNG-Terminals verschiedene Gemälde geschaffen haben. Die geistige Nähe dieser Rügener Werke zu Caspar David Friedrichs Kunst ist ganz ­offensichtlich. Man darf sich also auf eine überaus vielschichtige Präsentation in der Galerie Netuschil freuen, die auf der einen Seite Bezüge zur Kunstgeschichte der Romantik offenbart, aber gleichwohl auch ganz im so brisanten politischen, ökologischen Hier und Jetzt steht.

 

Marc Peschke

 

www.galerie-netuschil.net

 

 

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4/2024

 

 

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